Medeja Lončar | Durchbruch der Digitalisierung und die neue Ära der Arbeit
Die Covid-19-Pandemie hat die Arbeits- und Führungsweisen in Unternehmen radikal verändert und nicht nur den Durchbruch der Digitalisierung, sondern auch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle gefördert. Auch globale Unternehmen wie Siemens mussten sich an die neue Geschäftsrealität anpassen. Wie dies erfolgte, erklärt Kontrollausschussmitglied Medeja Lončar, die Siemens seit 2007 in Slowenien und seit 2018 in Kroatien erfolgreich leitet.
Frau Lončar, wie hat sich Ihr Geschäftsalltag in der Coronazeit verändert? Hat sich auch die Arbeitsweise im Unternehmen geändert?
Es wird deutlich mehr Arbeit von zu Hause ausgeführt und es findet ein virtuelles Vernetzen durch Meetings, Schulungen und verschiedene virtuelle Events statt. Die Mehrheit der Mitarbeiter arbeitete während des Lockdowns im Frühling von zu Hause aus.
Ich denke, dass wir uns auch aufgrund der bisherigen Erfahrungen von den Mitarbeitern in regionalen Teams schnell angepasst haben. Die neue Realität war, dass physische Events auf einmal nicht mehr möglich waren. Deshalb haben wir professionelle Webinare organisiert und ein virtuelles Demonstrationszentrum eingerichtet, in dem unsere Industrielösungen per Fernzugriff getestet werden können … Und wir alle sind uns der Relevanz der Hygiene in Form von Händewaschen und Hustenetikette, Tragen von Masken und Einhaltung des richtigen Abstands sehr bewusst.
Bei Siemens sind wir zuversichtlich, dass die Art und Weise, wie wir in der neuen Normalität arbeiten – zwei bis drei Tage die Woche (soweit möglich) von zu Hause aus – auch nach der Coronakrise erhalten bleibt. Wie die Expertin für Arbeitsstellen der Zukunft von Siemens, Elisa Rönkä, auf dem jüngsten Managementkongress des slowenischen Managerverbandes sagte, müssen Arbeitsbereiche neu überdacht werden, basierend darauf, wie die Menschen sie nutzen möchten, um bestmöglich arbeiten und die besten Ergebnisse erzielen zu können. Der Arbeitsplatz ist somit zu einem „Geisteszustand“ geworden, Büroarbeit ist keine Notwendigkeit mehr, da wir praktisch von überall aus arbeiten können.
„Arbeitsbereiche müssen neu überdacht werden, basierend darauf, wie die Menschen sie nutzen möchten, um bestmöglich arbeiten und die besten Ergebnisse erzielen zu können. Der Arbeitsplatz ist somit zu einem „Geisteszustand“ geworden, Büroarbeit ist keine Notwendigkeit mehr, da wir praktisch von überall aus arbeiten können.“
Worauf kommt es bei der Unternehmungsführung in Krisenzeiten an und wie sollte man vorausplanen?
Die Unternehmensleitung legt in der Coronazeit, zumindest bei Siemens, neue Grundlagen für eine neue Art der Führung. Bei diesem neuen Leitungsstil – nämlich so einem, der sich auf Ergebnisse konzentriert (und nicht auf die Zeit, die die Mitarbeiter im Büro verbringen) – sind Elemente wie Vertrauen, effiziente Verbindung der verschiedenen hierarchischen Ebenen und Teile des Unternehmens miteinander sowie eine angemessene Befähigung der Mitarbeiter (mit der Erstellung effizienter Kommunikationskanäle und der Möglichkeit der Arbeit außerhalb des Büros) relevant. Die Führungsperson muss die Mitarbeiter inspirieren können und die Voraussetzungen für innovative Lösungen und Ideen ermöglichen. Kreativität kann nicht nur durch die virtuelle Welt gefördert werden, deswegen sind physische Treffen und ein Umfeld (Plattformen), wo Ideen entwickelt werden können, sehr wichtig.

Laut GTAI fördert die COVID-19-Pandemie die Digitalisierung und die damit verbundenen Investitionen sowie die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle größerer Unternehmen in Deutschland. Hat die Pandemie auch in Slowenien für einen Durchbruch der Digitalisierung gesorgt? Wenn ja, wie?
Die neue Coronavirus-Pandemie hat zweifellos auch in Slowenien dafür gesorgt, dass die sehr klaren Konkurrenzvorteile der Digitalisierung hervorgehoben wurden. Unternehmen, die diese Transformation schon vor der Pandemie in Gang gesetzt haben, haben dies ebenfalls deutlich gesehen. Und die Anzahl der Unternehmen, die uns kürzlich kontaktiert haben, weil sie an unseren Digitalisierungslösungen und unserer Hilfe bei der Erstellung einer Digitalisierungsstrategie interessiert sind, lässt uns optimistisch in die Zukunft blicken. Es wächst das Bewusstsein, dass Digitalisierung nicht mehr nur eine Strategie, sondern eine notwendige Realität ist.
Was sind die Vorteile der digitalen Transformation und wieso ist diese gerade jetzt unbedingt nötig?
Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten für Industrieunternehmen weltweit – es erlaubt ihnen, auf die immer vielfältigeren Bedürfnisse der Verbraucher einzugehen und verkürzt die Zeit, die für die Realisierung einer Produktpräsentation auf dem Markt notwendig ist. Die Digitalisierung optimiert auch den Verbrauch von Ressourcen wie Energie, Wasser und Abwasser, was gleichzeitig die Umwelteffizienz erhöht und die Kosten senkt. Die digitale Transformation ebnet den Weg für weitere Innovationen, neue Dienstleistungen und sogar völlig neue datenbasierte Geschäftsmodelle.
„Die digitale Transformation ebnet den Weg für weitere Innovationen, neue Dienstleistungen und sogar völlig neue datenbasierte Geschäftsmodelle.“
Bereits in der ersten Corona-Welle stellte sich heraus, dass es für Unternehmen, deren Prozesse schon teilweise digitalisiert wurden, einfacher war, eine unterbrechungsfreie Produktion sicherzustellen und mit größerer Gewissheit und vor allem ohne Unterbrechung in den Markt einzutreten. Die Möglichkeit zur Fernüberwachung und Wartung von Geräten hat diesen Unternehmen geholfen, weiterhin kritische Systeme zu betreiben und Störungen zu reduzieren.
Hat die Pandemie auch in Ihrem Unternehmen die Entwicklung neuer innovativer nachhaltiger Geschäftsmodelle angeregt? Wie wird Siemens in Zukunft zu einer nachhaltigeren Welt beitragen?
Vor mehr als 170 Jahren wurde Siemens aufgrund der starken Idee gegründet, dass ein Unternehmen nicht nur profitorientiert handeln, sondern auch der Gesellschaft dienen soll – und das mit allem was es tut. Dies gilt heute stärker als je zuvor. Wir befolgen die Agenda der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung bis 2030, die die aktuellen Probleme der modernen Welt aufzeigt.
Wir sind auch eines der ersten globalen Unternehmen, das sich bis 2030 zu einem klaren Ziel der CO2-Neutralität verpflichtet hat. Wir bieten unseren Kunden innovative Technologien, mit denen die Treibhausgasemissionen unserer Kunden allein im Geschäftsjahr 2019 um mehr als 637 Millionen Tonnen gesenkt wurden, was mehr als 80 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen Deutschlands entspricht.
Interview: Anja Slekovec